09 Jan 2020
der Grillmöbel-Musiknerd-Newsletter
Der Grillmöbel-Musiknerd-Newsletter 2019/20
Jetzt war 2019 ja ein wirklich gutes Jahr für Musikliebhaber_innen: Neue Alben allenthalben, darunter unglaubliche Perlen: Sei es das großartige Let‘s rock von den Black Keys, für mich fast schon ein Comeback nach dem seltsamen Vorgänger, das mich dazu motiviert hat, auch Brothers (2010) und El Camino (2011) nachgerade anzuerkennen, oder eins, das nun wirklich niemand mehr erwartet hätte, nämlich das fast All-Hit-Album Help us Stranger der 10 Jahre lang untätigen Raconteurs. Wir kennen das ja aus den letzten Jahren, dass sich totgeglaubte Rockbands wieder zu Wort melden, siehe auch hier, doch bei jemandem wie Jack White, der alle paar Jahre was neues macht und zwischendurch noch diverse Soloalben aus dem Hut zaubert, war die Wahrscheinlichkeit nun doch eher gering. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das irgendwer nicht komplett abfeiert, aber bildet euch selbst eine Meinung, auf Youtube (auch das 2019) kann man nämlich jetzt einfacher ganze Alben abspielen. Beide Neuerscheinungen jedenfalls bedienen wohl ähnliche Hirnareale, was eine Userin in Bezug auf meine beiden Lieblingssongs auf den Alben ganz gut zusammenfasste:
2019:
The Black Keys: Shine a little light
The Raconteurs: Shine the light on me
Aber auch Neil Young brachte nach über 7 Jahren endlich eine neue Platte mit Crazy Horse heraus, und ich schätze, ich war nicht der Einzige, der seit Psychedelic Pill darauf wartete, denn um ehrlich zu sein, konnte ich mit dem (nicht geringen) Output in der Zeit dazwischen wenig anfangen. Nun also Colorado (hier nachhören), das für mich genau so klingt wie ich es haben will, und zum Glück jedem potenziellen Vorwurf des Altbackenen einen gleichgültigen, mit sehr viel Gitarrenfeedback unterfütterten Mittelfinger zeigt. Er geht in „She showed me love“ („She“ bezieht sich in diesem Fall auf „mother earth“, was mich etwas überrascht hat) sogar auf die Metaebene:
You might say I’m an old white guy
I’m an old white guy
You might say that
Für weitere großartige Lyrics und Jams das Album anhören, es lohnt sich. Einzige Enttäuschung: Der Song mit der längsten Laufzeit (13:36 min) kann mit den Jams von Psychedelic Pill (zwei über 16 min, eins 27:54 min) nicht wirklich mithalten. Naja.
Auch The Dead South aus Kanada, auch bekannt als die besseren Mumford and Sons, haben ein neues Album auf den Markt geworfen. Die Ambivalenzen, die ich bei dieser Band habe, teilen sich bei dieser Neuerscheinung allenfalls in Text und Musik auf, da ich nach wie vor mit den Lyrics nichts anfangen kann. Dafür aber umso mehr mit der Musik. Wenn es irgendetwas originelles im Bereich Folk/Alternative Country gibt, dann diese irre Mischung auf Sugar and Joy. Oder?
Eine letzte Überraschungsveröffentlichung brachte das Jahr dann noch: Into the north von den Dreadnoughts, die es just heute im So36 vorstellen werden. Ich war zuvor nicht sicher, wie ernst ich die Ankündigung nehmen soll, dass ein reines Shanty-Album im erscheinen soll, zumal das wahrscheinlich das einzige reine Shanty-Album mit größtenteils selbstgeschriebenen Songs ist, das 2019 überhaupt erschienen ist. Doch sie haben es getan, hier ist es und es geht dermaßen ins Ohr, dass ich nach einmaligem (!) Hören bereits Ohrwürmer für die ganze Woche hatte. Bin gespannt auf die Live-Darbietung. Eine seltene Gelegenheit.
Ein paar andere Dinge sind 2019 passiert. John Mann von Spirit of the West ist seiner Alzheimer-Erkrankung erlegen. Mir fehlen an der Stelle die Worte, etwas Angemessenes dazu zu sagen. Die Band hat es mit ihrem Abschiedsauftritt 2015 genau richtig gemacht. Diese Aufnahme wird für alle Zeit ein würdiges Ende markieren.
Glenn Tipton (Judas Priest) lebt noch, aber kämpft mit Parkinson. Lemmy ist seit 4 Jahren tot. Patti Smith rockt unverändert.
Es wird sich jedenfalls viel verändern in den nächsten Jahren. Wie das die popkulturelle Landschaft beeinflussen wird, weiß niemand. Man kann nur spekulieren.
Aber noch leben die, die leben und manche geben noch Konzerte; außerdem kommen ja doch nischenweise neue nach. Wie wird also 2020? Die Highlights dieses Jahr sind noch nicht komplett abzusehen. Die Dreadnoughts heute abend sind jedenfalls die größte Überraschung, ansonsten kommen eher diejenigen nach Berlin, die immer nach Berlin kommen, darunter aber auch immer wieder sehenswerte Acts wie TV Smith, die Rumjacks und die Antilopen. Gespannt bin ich auf den Blues-Newcomer Marcus King im März im Heimathafen Neukölln. Der hat ein wahnsinnig rundes Gesicht.
Nur Jens Rachut hat zur Zeit keine Termine, nachdem seine Auftritte mit Maulgruppe und Alte Sau letztes Jahr definitiv zu meinen Favourites gehören. Es beginnt wieder die angstvolle Zeit, in der man ständig auf der Hut sein muss, neue Rachut-Ankündigungen nicht zu verpassen. Aber diese Probleme sind bekannt.
Viel Spaß 2020!