grillmoebel
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14 Oct 2019
Tritt auf die Spaßbremse (2)

Doch nicht, kommt es mir jetzt. Wer rast, tut das ja im Allgemeinen nicht, um schneller ans Ziel zu kommen, das ist allenfalls ein der neoliberalen Welt geschuldeter Vorwand, nein – wer rast, tut das in den meisten Fällen, weil es Spaß macht, wie bereits erwähnt, und desto mehr Spaß, je raumeinnehmender und unpenetrierbarer das Vehikel, siehe SUVs. Es geht also nicht nur darum, dass das Bedürfnis verweigert wird, flüssig und schnell eine Strecke zurückzulegen, sondern darüber hinaus etwas verboten wird, was Spaß macht! Aus guten Gründen, nämlich weil es das Leben anderer Menschen erheblich gefährdet. Doch wohin mit dem Verlangen nach Rasen?
Für Menschen, die Spaß am Sich-Prügeln haben, hat man bekanntlich allseits spezielle Orte eingerichtet, damit sie es nicht in der Öffentlichkeit, unkontrolliert und ungefragt mit Passant_innen tun.*
Rasen läuft allerdings offensichtlich unter einer völlig anderen Kategorie, weshalb Autodeutschland Tausende Kilometer Rennstrecken eingerichtet hat, auf denen diejenigen, die ein Rasbedürfnis haben, es legal ausüben können. Und zwar in der Öffentlichkeit, unkontrolliert und ungefragt mit Passant_innen.
Ich sage es noch einmal: Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbegrenzungen zu unterhalten ist ähnlich fahrlässig wie einer Boxerin zuzugestehen, dass sie sich nach Lust und Laune durch die Fußgängerzone prügelt.
Dadurch, dass aber aus irgendeinem Grund bei der einen Sache gemeinhin akzeptiert ist, was bei der anderen Sache völlig undenkbar wäre, gelingt der Autobahnrepublik etwas sehr fieses, nämlich denjenigen, die den Irrwitz bemerken und fordern, dass Raser_innen dorthin verbannt werden, wo sie hingehören, nämlich zu Gokartbahnen und Formel-1-Rennen, ebenjenen Spaßbremsencharakter unterzujubeln, den ich auf dem Fahrrad rasend den zu Fuß Gehenden zu attribuieren müssen glaubte.
Man verschiebt also brutal die Ebenen und erschafft sich eine Welt, in der die, die um ihr Recht auf Unversehrtheit durch die Launen der Anderen kämpfen, als Verbotsfetischisten denunziert werden, und das, obwohl – und hiermit kommen wir zur traurigen Pointe automobilzentrierter Politik – sämtliche andere Staaten und Bundesstaaten auf der ganzen Welt dieses unzweifelhaft rationale Verbot längst durchgesetzt haben.
Man begreift es wahrscheinlich auch noch als deutsche Vormachtstellung.



* wie erfolgreich, sei dahingestellt. Offenbar ist das Boxbedürfnis mancher Leute dadurch noch nicht gestillt.

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