13 Jun 2019
for the laugh of god
Nach langem Bangen hatte X nun endlich die Bewilligung erhalten. Bangen fasste nicht ansatzweise den Aufwand, den X in den Monaten zuvor betreiben musste, um überhaupt zu überleben. Das Job-Center ließ alle Fristen einfach verstreichen, weil es es konnte, und X war gelackmeiert. Erst als X erfuhr, dass es ein Extraformular dafür gab, wenn man so dringend Geld brauchte, dass man nicht mal eben monatelang ohne Grundsicherung durchhalten konnte, ohne in Probleme zu geraten, und wer zum Teufel, der beim Job Center war, war denn bitte nicht angewiesen auf das Geld, außer natürlich den weltbekannten BILD-Ausnahmen Mallorca-Ralle oder Fürst Karl-Heinz zu Sayn-Wittgenstein oder wie sie alle heißen, jedenfalls nun gab es für X dieses Formular, nein, es war gar kein Formular, sondern es bestand einfach die Möglichkeit, dem job center folgendes sinngemäß an den Kopf zu knallen: „Ich brauche jetzt sofort Geld, weil ich sonst meine Miete nicht zahlen kann und aus der Bude fliege, überweisen Sie mir binnen 2 Tagen einen Vorschuss von XXX Euro und prüfen Sie halt danach weiter, wenns unbedingt sein muss“, was aber viele auch garnicht wissen und dann eben doch ihre Wohnung verlieren, was solls, ist ja nur der Ort, wo ich lebe, dachte X, naja, immerhin war X nicht so ein Opfer, denn X hatte jenen Drohbrief ja erst vor wenigen Tagen ans job center geschickt. Und zwar keine Reaktion darauf erhalten, aber das kannte X schon, das JC reagierte nie auf etwas, was man schrieb, es schickte einfach kommentarlos irgendeinen Bewilligungsschein, als hätte es dieses ganze Chaos in den Monaten davor nicht gegeben. So auch bei X. Ein ganzes Quartal wurde X rückwirkend ebenfalls bewilligt, so dass nach monatelangem An-jeder-Ausgabe-Verzweifeln nun eine Zeit des Wohin-mit-dem-ganzen-Geld zu folgen versprach. Immerhin, dachte X. Das wichtigste war für X gewesen, dass das Dschobsenter die Kohle nicht auf das Vermieterkonto, sondern an Xens Konto überwies, daher hatte X in allen Anträgen mehrmals alle erforderlichen Daten eingetragen und stets besagte Option angekreuzt.
Weshalb X nun im Bewilligungsschreiben angekündigt wurde, das Geld werde per Scheck bei X eintreffen. Nachdem X der Phase der unbändigen Wut entwachsen war, sammelte X alle Infos über Schecks, die X bekannt waren: …
X wusste nichts über Schecks. Im jc-Brief stand absolut keine weitere Information. Würde der Scheck per Post eintrudeln? Ein Scheck über hohe 4-stellige Summen? Das nun wirklich nicht, dachte X. Wie aber dann? Ein Anruf brachte keine neuen Erkenntnisse, lediglich mehr Frust. So erschien X persönlich in der Eingangszone und wartete 2 Stunden, um einen leibhaftigen Menschen zum Zurechtweisen zu haben, was auch gelang. Die eigentlich freundliche, aber für X natürlich sich ekelhaft anbiedernde ->Job-Center<-Fachkraft trug in Xens Akte ein, dass in Zukunft Geld auf das Konto überwiesen werde, das bereits angegeben war. X war begeistert, allerdings deutlich weniger, als X mitgeteilt wurde, dass der Scheck schon unterwegs sei. X beschloss infolgedessen, das zu tun, was X meistens tat, wenn es um das Jobcenter formerly known as Bundesanstalt für Arbeit ging, nämlich garnichts. Diese Strategie zahlte sich nach wenigen Tagen aus, als der Scheck über viele Tausend Euro dann tatsächlich per Standardbrief bei X ankam. X wollte sich gar nicht erst ausmalen, was im Falle eines Verlustes alles an Unfug passiert wäre. Nun aber war der Scheck da, alles war gut. Auf einem zusätzlichen Infoblatt stand etwas von einer Einlösegebühr. X konnte nicht fassen, dass man jetzt von X erwartete, Geld dafür zu bezahlen, Geld zu erhalten, dass X gesetzlich zustand. Doch die Überraschung über eine weitere Verarsche des Sozialstaats hielt sich für X in Grenzen. Natürlich fehlte auf allen erhaltenen Schreiben die einzige Information, die wirklich interessierte, nämlich, wo dieser Scheck denn nun einzulösen war: Das JOBCENTER konnte sich anscheinend einfach nicht vorstellen, dass es für die Kunden Priorität ist, an das bewilligte Geld auch heranzukommen. So blieb X nichts übrig als zu gugeln, und gugeln tat X dann auch. Ergebnis: Postbank. Super, dachte X, die Bank mit der immerzu längsten Warteschlange.
Die Postbank erfüllte ihr Klischee und X versuchte, dieser Marter zu entgehen, indem X irgendeinen schmierigen Anzugtypen fragte, ob die Schecks womöglich an einer anderen Stelle als dem Hauptschalter einzulösen seien: „Entschuldigen Sie, kann ich bei Ihnen vielleicht einen Scheck einlösen?“
„Nee, da musste schon nach vorne gehen, musst dich anstellen, ne?“
X reagierte mit „Sag mal, warum duzt du mich eigentlich einfach?“
„Ääääh… hm… na… wir sind hier so … so n bisschen lockerer, weißte? Wir duzen hier alle, weil wir uns ja alle kennen und mögen… jaja…“
Damit war X, bereits leichten bis mittelschweren Lookism erahnend aufgrund der abgerissenen Klamotten, in denen X unterwegs war, natürlich mäßig zufrieden, aber irgendwie tat X der Typ dann auch wieder leid, weil er den Mumpitz zumindest teilweise wirklich zu glauben schien, den er da verzapfte.
Als X dann nach Stunden endlich vorne angekommen war, war die erste Frage der Angestellten: „Und die wollen jetzt ernsthaft, dass Sie hier Geld bezahlen, damit wir Ihren Scheck einlösen? Das ist ja lachhaft.“
X freute sich über die unerwartete Komplizenschaft, die aber leider nicht zum Wegfall jener Gebühr führte. Obwohl X eigentlich nicht wusste, was sonst hätte passieren sollen, war X überfordert, als diese Angestellte nun Dutzende von Hunderteuroscheinen gut sichtbar vor X und den übrigen Wartenden aufdrapierte.
„Dreitausendfünfhundert, Dreitausendsechhundert, Dreitausendsiebenhundert… und hier noch ein paar Gequetschte, haha!“, polterte die Postangestellte durch den Raum, und: „Brauchen Sie ein Behältnis?“
„Nee, nee schon gut“, flüsterte X, die Paranoia schon spürend, die es mit sich brachte, mit solchen Summen unterwegs zu sein. Zum Glück war im gleichen Raum bereits ein Geldautomat, an dem X nun die nächsten zwei Stunden damit beschäftigt war, das gerade erhaltene analoge Geld in den zugelassenen Einzahlungsschritten wieder in digitales zu verwandeln.
„War doch alles ganz einfach“, meinte X‘ neuer Kumpel im Anzug noch, als X die Bank verließ, und X blieb nichts anderes übrig als hysterisch loszuprusten.