grillmoebel
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03 Jan 2018
ich füge Speisen Honig hinzu, um Veganer zu ärgern

Was allerdings Spaß macht, sei es nun 2017 oder 18 oder auch 1970, sind die musikalischen Ergüsse von MC5, einer linksradikalen Protopunkband, deren Name mal wieder zeigt, dass es bei Bandnamen AUSSCHLIEßLICH darauf ankommt, dass sie sich gut dahersagen lassen und auf sonst letztendlich nichts.
MC5 waren von 1964 bis 1972 musikalisch aktiv und veröffentlichten in dieser Zeit 3 Alben. Mich ärgert, dass es trotzdem schon wieder ungefähr 20 verschiedene Kompilationen gibt, die alle dieselben Hits!Hits!Hits! beinhalten. Egal. Die Veröffentlichungen nun sind äußerst unterschiedlich in Klang und Charakter. “Kick out the Jams” (1969) wird von den Popkultur-Experten immer als eine Art Offenbarung beschrieben und war wohl “ja” unheimlich wichtig für die Punk-Bewegung und überhaupt die Rauheit und die Gitarrenriffs und “motherfuckers” und blablabla. Da ich mich kaum in einen Jugendlichen aus dem Detroit der 1960er Jahre hineinversetzen werden kann, muss ich diese Einschätzungen auch nicht breittreten. Mein Zugang ist ein anderer; ich habe dieses Album einfach irgendwann einmal als gebrannte CD gehört, nachdem ich das zweite “Back in the USA” (1970) bereits kannte. Das Debut hat tatsächlich eine unheimliche Kraft. Mir ist es allerdings zu ausladend und da es zur Hälfte (!) aus Coverversionen von Liedern anderer Künstler besteht, ist es meiner Meinung nach eigentlich gar kein Album (gilt übrigens auch für die erste Handvoll Rolling Stones-Alben. Wieso werden Leute mit einem solchen Plagiieren so berühmt?). Ich finde es auch gut, dass Leute Anstoß am ritualisierten “motherfuckers” genommen haben, dennoch sind das alles Storys für das Lexikon der Popkultur. “Back in the USA” nun ist deutlich radiotauglicher, aber im bestmöglichen Sinne. Das 2. Album verhält sich zum 1. wie CCR zu Cream (CCR sind bessere Songwriter als Cream). Ich komme nun zum eigentlichen Zweck dieses holprigen Textes, nämlich der Lobpreisung des wenig beachteten letzten Albums “High Time”.
Unbekannte_r Wikipedia-Autor_in dazu: “The album was poorly promoted, and sales were worse than ever, but High Time was the best-reviewed of the band’s original records upon its initial release. The group had much more creative control, and were very satisfied with the results.”
Souveräne Grillmöbel-Antwort dazu: das merkt man.
Die 8 Songs ergeben ein Gesamtkunstwerk, das sich am Besten im Ganzen genießen lässt. Die ersten beiden eher traditionellen Bluesrock-Stücke bieten einen guten Einstieg, der durch die etwas lahme Ballade “Miss X” gebrochen wird. Diese allerdings ist anders abgemischt als die restlichen Songs, wofür es keinen Grund zu geben scheint. MC5 zeigen sich außerdem in den ersten Liedern oftmals humoristisch, sei es durch den sehr gut gestalteten Übergang des “Sister Ann”-Hauptriffs in eine Art dilettantische Blaskapellenversion, sei es durch den albernen, aber immerhin christenprovozierenden Text oder die parodistischen Stilmittel in der Bridge der Ballade.
Doch erst danach zeigt sich das wahre Gesicht des Werkes, in dem sehr schnellen “Gotta keep movin’”, dessen durchweg überhöhtes Energielevel kaum zu ertragen ist. Auch hier zeigen MC5 in den Gitarrenstimmen, dass sie einfach gerne Quatsch machen, eine verbindende Eigenschaft aller Alben (“Starship”, “Looking at you”, “The Human Being Lawnmower” mindestens). Diesem mit dem besten Text des Albums versehenen Glanzstück folgen “Future/Now” und “Poison”. Beim Hören bleibt offen, wo welcher Song endet oder beginnt. Ein gutes Stilmittel, sollte man öfter einsetzen. “High Time” schließt ab mit meinem persönlichen Lieblingslied (“Gotta keep Movin’” ist das beste Lied, aber nicht mein favourite) - “Over and Over”. Ein großartiges Intro verrät nicht, wo es hingeht, bis Rob Tyner großartig übernimmt und dermaßen an der Grenze seiner Stimmlage herumschreit, dass man sich fast wundert, dass keine Plattenfirma es zensiert hat, weil Leute ja immer gut und sauber singen müssen. Danke jedenfalls, es ist ein Fest. Könnte “Over and Over” den ganzen Tag hören. Also quasi Over and Over. Haha.
Der Closer (sagt das jemand?) heißt “Skunk (Sonically Speaking)” und ist meiner Meinung nach eine Parodie auf das schlechtere “Sympathy for the devil”. Oder anders: Wenn letzterer Stones-Song in seiner kongenialen Erzählweise eine ganze Generation von Musikhörern dazu gebracht hat, die Kategorien von Gut und Böse zu hinterfragen, dann stellen MC5 “Skunk” als den Song bereit, der das auch musikalisch verkörpert. Im Gegensatz zu dem lahmen Samba der Stones geht es hier von Anfang an richtig zur Sache. Die Zählzeiten verschwimmen in einem Schlagzeugsolo, das keines ist, bis urplötzlich der Song richtig losgeht oder eher -dröhnt; ab dann spätestens ist die Zeit der Entspannung vorbei. Das Gitarrenriff wirkt wie eine hektische Variante der “Sister Ann”-Begleitung, das Lied im Gesamten wie eine Perversion des Openers. Rob Tyner und die Gitarren wechseln sich wie üblich ab mit völliger Ekstase, gerade wenn man denkt, es sei auf dem Zenit angekommen, bricht in die 3. Strophe die Gitarre mit dem hohen Dur-Septakkord der Tonika, der aggressivsten Zusammensetzung zweier Töne im Blues, herein, bis alles brennt, und dann haben sie nichts Besseres zu tun als eine halbe Big Band hinzuzufügen, die sich den Rest des Liedes mithin wohlklingend dissonant um den Verstand bläst. MC5 müssen damals eigentlich mit genau dieser Wortwahl nach den entsprechenden Musiker_innen gesucht haben, anders kann ich mir das nicht erklären. “Skunk” schafft es, dass mein Kopf sich anfühlt wie die Weltuntergangsuhr. Wie Captain Beefheart bricht es den catatonic state auf, allerdings einfach mit roher Gewalt. Das Lied (und damit auch das Album) endet zum Glück nicht im Fadeout, sondern die Gitarre steigt aus dem absoluten Chaos aus und spielt zweimal ein zuvor ungehörtes Riff an, das Sammy Hagar später, ob er es zugibt oder nicht, zu seinem Hit “Red” verholfen hat…

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