grillmoebel
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29 Sep 2014
In der Dackelblut-Hölle braucht man Sonne-Nmilch

Ich werde hier immer auch mal wieder was über Bands oder Musiker_innen erzählen, die ich für erwähnenswert/unterschätzt/sehr gut halte. Das wird dann ungefähr so aussehen: Vor ein paar Tagen habe ich mir auf einem Punk-Konzert (zum ersten Mal) Cocktailbar Stammheim angesehen, nicht absichtlich zwar, da ich einer anderen Band wegen gekommen und aus ganz anderen Gründen geblieben bin, aber mit gewagter Offenheit, da Supportbands oft im Schatten ihrer Headliner versinken und ich das anprangere. Natürlich sind diese Hierarchien auf Punk-Konzerten eher weniger stark ausgeprägt, doch hatten Cocktailbar Stammheim, zwischen zwei Bands angesiedelt, die relativ oldschooligen Punk fabrizierten, wo sich mehr als einmal Dosenbier auf Hartz IV reimen musste, es mit ihrer Musik nicht ganz so einfach, denn die pendelte eher zwischen Jens Rachut und Pascow umher, allerdings mit einer Prise mehr Minimalismus und Grobheit, die aber in jeder Hinsicht positiv gesehen werden sollte. In diesem Genre (heißt das Post-Punk? Naja egal. Obwohl, dann hätte ich diesen Text mit „Ein Punk-Post über Post-Punk“ überschreiben können. Egal, der Witz ist gemacht, weiter geht’s) kann ich immer nur einzelne Bands ertragen, die es irgendwie schaffen, mich anzusprechen, während das Gros mich kalt lässt. Wenn das aber gelingt, finde ich sie aber oft herausragend, so auch Cocktailbar Stammheim, die – und das ist für mich wichtig – so weit von Radiotauglichkeit weg sind, wie es nur irgendwie möglich ist. „Zwei Menschen mit Gitarren spielen Schlagzeug mit den Füßen“, berichten sie wahrheitsgemäß über sich selbst. Da entsteht eine Energie, die in keiner anderen Besetzung möglich ist und dazu kommt noch der Gesang von Christian (so die Website), der einen genau da abholt, wo man ist und irgendwo absetzt, wo man noch nie war und vielleicht auch nicht sein wollte. Das Schöne ist, dass das alles mit Songtexten erreicht wird, die zwar manchmal kryptisch sind, aber nicht durch das in ihnen enthaltene Wirrsal belanglos (Kettcar, Turbostaat), andererseits auch punkig auf den Punkt (hehe) kommen können, ohne zu reinen Saufparolen zu verkommen (Schleimkeim, Heizöl). So kam es, dass meine Lieblingstextstelle des Abends unerwarteterweise von Cocktailbar Stammheim dahingeschrien wurde. Und das bei der Konkurrenz: „Hallo Deutschland, du Sau! […] und darum mach ich weiter, bis du irgendwann kaputt gehst“ (1. Band) und „Mensch – Arbeitskleidung jeglicher Art, du siehst scheiße aus!“ (3. Band). Alles gut, aber kommt nicht ran an diesen einen Refrain:
„Ich bin nicht so wie ihr, ich bin nur zum Scheitern hier“
Mehr Punk geht nicht, sage ich und ich muss es ja wissen.
Bitte ansehen!

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